Stephan Dülberg
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Die Geschichte der Jugendfarm
in Holzlar beginnt vor 17 Jahren und solange
kennt auch Stephan Dülberg die Farm. 1985
übernahm der Verein Jugendfarm e.V. das
ehemalige Gelände der Stadtgärtnerei
am Holzlarer Weg und das Projekt Jugendfarm
entstand. Nach Stuttgarter Vorbild sollte ein
Raum geschaffen werden, in dem sich Kinder und
Jugendliche frei entfalten können. Zunächst
kam der heutige Geschäftsführer als
Besucher auf die Farm, dann machte er 1991 ein
Praktikum und stieg zunächst ehrenamtlich
in das Team ein. Während all den Jahren,
von der Pionierphase, über finanzielle
Krisen bis hin zum heutigen Erfolg konnte Stephan
Dülberg etwas genau beobachten: "Die
Kindheit hat sich stark verändert. Wir
haben heute sehr viele "schwierige"
Kinder auf der Farm und so spielen die sozialarbeiterischen
Aspekte zunehmend eine große Rolle."
beschreibt er die Entwicklung.
Das Konzept der Einrichtung
erläutert er so: "Ich begreife die
Jugendfarm als Lernort für Kinder und Jugendliche,
der frei ist von ideologischen Vorstellungen
und jeglichen Zwängen." Jeder auf
dem Gelände kann sich so entfalten wie
er möchte, die Kinder können ausprobieren
und ihren Mut, ihre Phantasie, Eigenständigkeit
und Mitbestimmung, Kreativität und Verantwortungsgefühl
erfahren und gemeinsam mit anderen entwickeln.
Die Jugendfarm ist eine dritte soziale Instanz
neben Eltern und Schule. Doch ohne Bildungsanspruch
und starke Reglementierung, keiner wird unter
Druck gesetzt und Zwänge gibt es nicht,
denn "das entspricht nicht dem ureigenen
Freiheitsanspruch des Menschen" , so Dülberg.
Für ihn ist die offene Jugendarbeit in
dieser Form ein ideales Feld um pädagogische
Ansprüche mit größtmöglichem
Potenzial von freier Entfaltungsmöglichkeit
zu verwirklichen. "Natürlich gibt
es auch bei uns ein paar Regeln, allerdings
bleibt die Farm ein Platz der sich gestalten
lässt. So lautet auch unser Leitsatz: Frei,
aber nicht grenzenlos." erläutert
der Geschäftsführer.
Bereits in seiner Kindheit
war er aktiv in der Jugendarbeit, wurde Pfadfinder
und übernahm dort auch Leitungsaufgaben.
Während seiner Ausbildung zum psychiatrischen
Krankenpfleger pausierte er einige Zeit, wollte
anschließend allerdings wieder zurück
zur Jugendarbeit. Schließlich studierte
er Soziapädagogik an der Universität
in Köln und stieg wieder in die Arbeit
mit Kindern und Jugendlichen ein.
Der Streichelzoo
auf der Jugendfarm
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Heute sind seine Aufgaben die
Steuerung und Kontrolle der wirtschaftlichen
Vorgänge, Öffentlichkeitsarbeit, Kontakt
zu Jugend-, Sozial- und Arbeitsamt sowie die
Gesamtkoordination der verschiedenen Projekte
des Vereins. Eines dieser Projekte sind zum
Beispiel die Tagesgruppen auf der Farm. Seit
sechs Jahren besteht dieses Erziehungshilfe-Projekt
bereits und seit diesem Jahr gibt es zwei Gruppen
mit jeweils sieben Plätzen. Die Kinder
kommen nach der Schule direkt in die Gruppe
und bleiben bis zum Abend. Der Hauptaspekt ist
die integrierende Hilfe, die den Kindern ermöglichen
soll, soziale Kompetenzen zu erlangen. Dabei
sind sie mitten in ihrem Lebensumfeld unter
ihresgleichen, haben viele Kontakt- und Kreativmöglichkeiten
und erleben Gemeinschaft, statt Ausgrenzung.
Ein weiteres Projekt ist der
Spielplatz am Finkenweg. Seit zwei Jahren arbeitet
die Jugendfarm als Träger gemeinsam mit
dem Stadtteilarbeitskreis Beuel-Ost, unter Mitwirkung
von Bürgervereinen, Politikern und anderen
Einrichtungen am Aufbau dieses Projektes. An
fünf Tagen der Woche kommen zwischen 20
und 50 Kinder und Jugendliche auf den Platz
und finden dort Ansprechpartner und Betreuer,
die für sie da sind. Noch befindet sich
dieses Vorhaben in er Entstehungsphase, so dass
noch entwickelt und geplant und optimiert wird.
Es entsteht eine Videodokumentation der Aufbau-
und Entstehungsphase. "Der Stadtteil soll
ins Visier genommen werden. Wir schauen was
es für Ressourcen gibt, wie vom Inseldenken
weglenken können und wie wir eine umweltorientierte
und sozialräumlich übergreifende Jugendarbeit
verwirklichen können." sagt Stephan
Dülberg über das Projekt Finkenweg.
Doch auch auf der Farm selber
gibt es genug zu tun. So werden zum Beispiel
Erlebnistage für Schulklassen, Kindergartengruppen
oder andere Einrichtungen organisiert oder Heilpädagogisches
Reiten angeboten. Außerdem gibt es ja
noch den Tierbereich, den Bauspielplatz und
einen Sport- und Spielbereich, die ebenso Aufmerksamkeit
fordern wie die wechselnden offenen Angebote
im Spielhaus. Das Angebot kann von Kindern ab
sechs Jahren jederzeit (natürlich innerhalb
der Öffnungszeiten) umsonst genutzt werden,
nur das Heilpädagogische Reiten ist kein
offenes Angebot. "Der Tierbereich ist sehr
wichtig für die Besucher. Sie bauen zu
den Tieren eine emotionale Beziehung auf. Ich
beobachte das auch an meinen beiden Töchtern."
sagt der Vater von zwei Söhnen und zwei
Töchtern. "Es geschieht sehr viel
über die Tiere. Die Kinder holen sich Trost
bei ihnen oder lassen ihren Frust raus."
"Die Jugendfarm als Lernort für
Kinder und Jugendliche"
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Die Farm zählt jährlich
ca. 200 "Stammkinder", hauptsächlich
im Alter von acht bis zwölf Jahren, 500
Gäste und noch einmal ca. 1000 Kinder,
die über ihre Schule oder ähnliches
auf die Farm kommen zu ihren Besuchern. Die
Besucher kommen aus ganz Bonn und sogar aus
anderen Städten. "Letzte Woche hatten
wir skandinavische Besucher, die sich die Farm
ansehen wollen und morgen kommt der Bürgermeister
von Wesseling mit einem Jugendausschuss. Denn
dort soll ein ähnliches Projekt entstehen."
erzählt Stephan Dülberg. Holzlar ist
damit ein Anschauungsbeispiel und Inspiration
für andere Gemeinden.
Stephan Dülberg, der in
Niederkassel zur Schule ging und jetzt mit seiner
Familie in Oberkassel lebt, mag Holzlar sehr.
Ihm gefällt, die dörfliche Grundlage,
die gewachsene Struktur und das rege Vereinsleben.
"Es liegt wunderbar in ländlichem
Rahmen und hat so schön viel Natur drum
herum." meint der Naturliebhaber. Auch
in seiner Freizeit hält er sich am liebsten
draußen auf. Wassersport, Reiten, Fahrrad
fahren, Joggen, und Inlineskaten gehören
zu seinen Hobbys. Doch allzu viel Zeit dafür
bleibt dem 38 Jährigen nicht dafür.
Denn die Jugendfarm füllt nur eine Hälfte
seines Berufslebens. Außerdem ist er als
selbstständiger Familien- und Organisationsberater
tätig.
Beim Blick in die Zukunft sieht er die Jugendarbeit
betreffend ein großes Fragezeichen. Denn
die Jugendförderung hängt von den
Mitteln der Stadt ab und das ist keine solide
Grundlage für Jugendarbeit, die langfristig
wirken soll. Sein Ziel ist es Verträge
mit der Stadt abzuschließen , die eben
dieses ermöglichen sollen, damit die Jugendarbeit
einen angemessene Stellenwert erhält. "Die
Politiker verstehen leider viel zu oft nicht,
was solche Einrichtungen im Leben eines Kindes
bedeuten." bedauert Stephan Dülberg.
Dabei legt er Wert darauf, nicht als "Feuerwehr"
angesehen zu werden, die zum "Löschen"
da ist, wenn keiner mehr mit den Problemen der
Kinder zurecht kommt. Denn die Projekte sind
nur langfristig sinnvoll und so wünscht
er sich nicht mehr von der Meinung oder Stimmung
der Politiker abhängig zu sein. Aus seinen
Erfahrungen heraus weiß er, dass diese
Projekte generationsübergreifend sind:
"Ich kenne eine junge Mutter, die früher
selber regelmäßig zu uns kam und
heute ihre Kindern bringt. Sie möchte ihren
Kindern ähnliches geben, was sie damals
hier erlebte." ...
Weitere Infos zur Jugendfarm finden Sie unter:
www.jugendfarm-bonn.de
Interview von Jenny
Gewehr
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